Die moderne Kataraktbehandlung – das muss die

Optometristin bzw. der Optometrist wissen!

Ein vereinfachter Überblick über die prä- und postoperativen Befunde, welche im Verlauf einer Kataraktentwicklung und -behandlung in der Optometrie-Praxis beobachtet werden kann.

 Durch die immer älter werdende Population und dem Fakt, dass wir zwei Augen besitzen, ist die Katarakt-Operation der weltweit am häufigsten durchgeführte operative Eingriff (Allan Foster 2000). Jeder Mensch wird, sofern er oder sie genügend alt wird, eine Katarakt entwickeln. Sobald dies eintrifft, wird heutzutage automatisch die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt eines operativen Eingriffs gestellt. Die Katarakt-Operation etablierte sich als eine sehr effektive und zusätzlich noch kostengünstige Behandlungsart. Somit gilt sie für unsere geographische wie auch soziökonomische Lage für jede Person als finanziell tragbar dar. Dieser Umstand trifft leider nicht für Entwicklungsländer zu (Khanna, Pujari et al. 2011). In Entwicklungsländern ist die Katarakt immer noch verantwortlich für fast die Hälfte der Fälle von verhinderbarer Blindheit.

Es ist allgemein anerkannt, dass die Katarakt-Operation ein hohes Sicherheitsprofil aufweist und routinemässig erfolgreich mehrere 10’000 mal pro Jahr in der Schweiz durchgeführt wird. Leider wird durch diese hohe Erfolgsquote ab und an dieser operative Eingriff fälschlicherweise banalisiert. Die Sicherheit der Operation und die erfolgreiche Durchführung basiert auf dem Fortschritt der chirurgischen Techniken und Methoden. Ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum Erfolg der Operation mit einer hohen èPatientenzufriedenheit, abgesehen von der chirurgischen Intervention, liegt in der Präoperativen Indikationsstellung und der Postoperativen Betreuung. Gerade in der Prä-, wie auch in der Postoperativen Betreuung kann die klinisch ausgebildete Optometristin bzw. der klinisch ausgebildete Optometrist einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Patientenbetreuung und -zufriedenheit beitragen.

 

Diagnosestellung

In der täglichen optometrischen Praxistätigkeit stellt sich immer wieder die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt einer Überweisung einer Kataraktpatientin bzw. eines Kataraktpatienten in eine ophthalmologisch-chirurgisch tätigen Praxis bzw. Klinik. Eine Kataraktdiagnose muss für eine Optometristin bzw. Optometristen zum klinischen Standard gehören. Bei der Entscheidung des richtigen Zeitpunktes eines operativen Eingriffs scheint die Unsicherheit bei den Kolleginnen und Kollegen bereits grösser zu sein.

 

Da die Katarakt ein elektiver Eingriff ist, spielen die Symptome, welche die untersuchende Person angibt, eine grössere Rolle, als zum Beispiel die erkennbare Eintrübung der kristallinen Linse oder der verminderte Visus, zu spielen.  

Die Beschwerden, welche in der Anamnese abgefragt und besprochen werden, sollten im Minimum folgende sein:

-         Zufriedenheit mit der momentanen bestkorrigierten Sehschärfe

-         Zunehmende Blendung und Lichtphänomene in der Dämmerung

-         Zunehmende monokulare Doppel- oder Schattenbilder

-         Stabilität der bestehenden Korrektion.

-         Leseschwierigkeiten, da es für die untersuchende Person zu wenig hell ist.

-         Wurde bereits einmal eine Augenoperation durchgeführt (z.B. refraktiver Eingriff an der Cornea).

Dies sind einige Fragen, welche bereits in der Anamnese helfen den Grad und das Stadium eines Kataraktes zu bestimmen.  Als Untersucher/-in muss man durch sinnvolle und gezielte Fragen herausfinden, welches die Hauptbeschwerden der untersuchenden Person sind. In jeder Kataraktabklärung muss evaluiert werden, ob diese Beschwerden tatsächlich von der eingetrübten kristallinen Linse her kommen. Wie immer müssen wir bedenken, dass die untersuchende Person auch an zwei oder mehreren Krankheitsbildern gleichzeitig leiden könnte. Als Beispiel für einen solchen Fall kann die zunehmende Blendung zur Veranschaulichung genommen werden: Bei der Kataraktentwicklung zeigt sich über die Zeit meistens eine subjektive Zunahme der Blendung . Eine Blendung kann aber auch bei einer cornealen Endotheldystrophie vorkommen. Bei einer bestehenden Endotheldystrophie ist das Risiko einer Cornea Dekompensation, nach einer Katarakt-Operation, erhöht.

In einem solchen Fall muss dann genaustens überprüft werden, ob die Beschwerden tatsächlich von der Katarakt kommen oder ob die Beschwerden nicht doch mehrheitlich durch die Cornea erzeugt werden. Das Ziel einer Operation muss immer eine Verbesserung für den Patienten bedeuten. Solche Fallbeispiele können beliebig weitergeführt werden, wie u.a. mit Netzhautbefunden oder auch mit Strabologischen Fällen, wie z.B. mit möglichen Amblyopien, welche teilweise seit Jahren oder Jahrzenten bereits bestehen. Gerade der Verdacht auf eine milde Amblyopie kann Prä-Operativ nicht immer mit hundert prozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden. Somit muss die eingetrübte kristalline Linse nicht immer der Hauptgrund für eine Sehverschlechterung sein.

Damit die Indikation zur Operation gestellt werden kann, braucht es ausser der ausführlichen Anamnese auch die Untersuchung des vorderen und hinteren Augenabschnitts. Folgende Untersuchungen gehören in einer Augenklinik zum Standard. Viele dieser Untersuchungen können auch in einer Optometrie-Praxis durchgeführt werden. Das hilft bei der Entscheidung, ob eine Patientin oder ein Patient überwiesen werden sollte oder nicht.

 

Zur Indikationsstellung der Katarakt-Operation gehören folgende Untersuchungen:

-         Visus mit und ohne aktueller Brille

-         Subjektive Refraktion in der Ferne und Nähe

-         Kurzer Orthoptischer Status mit Motilität, Covertest, Bagolini und Lang Stereotest

-         Spaltlampenuntersuch des vorderen Augenabschnitt, Evaluation der Linsentrübung (Lokalisation und Ausprägung der Trübungen)

-         Funduskopie in Mydriase, Makula OCT, Papillenbeurteilung

-         Corneatopografie und Biometrie (optische Vermessung der Augenlänge)

 

Die Synopsis der Ophthalmologischen Augenuntersuchung sollte dann verständlich und klar der untersuchenden Person weitergegeben werden. Vor dem Beginn der Untersuchung ist es häufig ratsam der Patientin bzw. dem Patienten zu erklären, dass die Katarakt (senilis) eine Auswirkung des Alters ist. Damit kann man viele Ängste vor der Operation bereits entkräften.
Bei der Aufklärung soll hingewiesen werden, ob die Operation zwingend notwendig ist oder ob zugewartet werden kann. Es gibt neben den medizinischen Gründen auch sozioökonomische Gründe eine Katarakt-Operation als notwendig und sinnvoll zu taxieren. Sobald der Visus moderat reduziert ist und dadurch die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt wird, sollte der operative Eingriff empfohlen werden. Der Verlust der Fahrtauglichkeit im Alter hat meistens höhere Risiken, den Lebensstandard negativ zu beeinflussen, als die Risiken einer Operation. Ein häufiger Fall in der Optometrie-Praxis ist eine plötzliche myopisierung bei älteren Patientinnen und Patienten. In diesen Fällen sollte man auch bereits an eine Katarakt denken, auch wenn der Visus noch gut ist. Falls eine neue Brillenverordnung gemacht wird, kann es durchaus sein, dass 3 -6 Monate später die Brille bereits wieder nicht mehr durch das Fortschreiten der Katarakt passt. Diese Fälle sind schwierig in der Argumentation, wenn vorgängig keine Aufklärung erfolgte und die Fachperson diese Möglichkeit des Visusverlaufs nicht mit der untersuchenden Person vorbesprochen hat. Bei einer beginnenden Katarakten braucht es von unserer Seite her Fingerspitzengefühl und das Fachwissen, wie sich der Zustand der Augenlinse verändern könnte.

In der Schweiz sehen wir wenige Katarakte, welche so stark fortgeschritten sind, dass diese zwingend (sofort) operiert werden müssen. In Bild 3 sind eine Hypermature Katarakt und eine noch stärkere fortgeschrittene Katarakt, eine Cataracta Rubra, abgebildet. In diesem Zustand ist eine Operation ganz klar nötig, fast unabhängig andere zusätzlichen ophthalmologischen Befunden. Wenn eine Cataracta Rubra weiterfortschreitet, wird sich der Linsenkern absenken und verflüssigen. Das schlimmstmögliche Szenario in einem solchen Fall ist eine Leckage der Linsenkapsel und das Ergiessen der Linsenflüssigkeit in den intraokulären Raum. Bei beiden dieser Patienten war der Visus nicht mehr messbar und es konnte nur noch eine Lichtperzeption festgestellt werden.

 

Genauigkeit der Katarakt-Operation

Wird die Indikation zur Operation gestellt und die Patientin bzw. der Patient willigt zum Eingriff ein, kommt immer die Frage, nach welchem refraktiven Ergebnis angestrebt wird. Die beiden häufigsten Ziele ist entweder eine Emmetropie für die Ferne oder man belässt die Augen moderat kurzsichtig (Restmyopie von -1.00 bis -3.00), damit ohne Brille weiterhin ein relativ guter Nahvisus erreicht werden kann. Eine Voraussage der Postoperativen Refraktion ist aber immer eine Schätzung, welche anhand der Biometriedaten berechnet werden kann. Das Refraktionsziel wird mit der richtigen Stärkenauswahl der künstlichen Intraokularlinse (IOL) angestrebt. Die IOL-Stärken gibt es in der Regel in 0.50dpt Abstufungen und liegen zwischen +6.00 und +30.00dpt. Schwächere oder höhere Werte werden meistens nur noch in Abstufungen von 1.00dpt angeboten. Sollte zusätzlich noch ein cornealer Astigmatismus mit torischen IOL’s korrigiert werden, sind die Zylinderstärken in 0.75dpt Stufen erhältlich. Diese Abstufungen der IOL-Stärken zeigt bereits, dass die IOL-Chirurgie nie so präzise sein kann im Bezug auf die erwartete Refraktion, wie wir es bei einem refraktiver Lasereingriff gewohnt sind. Bei der Analyse der postoperativen Werte gilt international ein guter Wert, wenn 70% der operierten Augen nicht mehr als 1.00dpt von dem erhofften Refraktionsziel abweichen. Mit deutlichem Mehraufwand in der Messtechnick und erfahrenem Chirurgiepersonal kann diese Genauigkeitsgrenze auch verkleinert werden.

Die grosse unbekannte in der IOL-Chirurgie, welche das Refraktionsziel beeinflusst, ist die effektive Position der IOL postoperativ. Die Position der IOL im Auge hat einen erheblichen Einfluss auf die Refraktion. Das ist wie beim HSA bei der Brillenanpassungen zu verstehen. Ab ±4.00 dpt wird bei der Brille der HSA berücksichtig. In der Katarakt Chirurgie wird mit deutlich höheren Werten gearbeitet. Die durchschnittlich implantierte IOL-Stärke liegt bei +22.00dpt.

 

Bei der Katarakt-Operation wir der Kaspselsack, welcher die kristalline Linse umgibt, im Auge belassen. Die IOL wird in den Kapselsack hinein implantiert. Der Kapselsack ist zu Beginn zu gross für die IOL. Der Kapselsack zieht sich in den ersten Wochen nach der Operation zusammen und umschliesst dadurch die IOL komplett. Die IOL ist dann fest im Kapselsack eingewachsen.

Bevor und während dem Schrumpfungsprozess des Kapselsack kann sich die Position der IOL leicht verschieben. In der theoretischen Berechnung der IOL-Stärke geht man davon aus, dass die IOL die Position einnimmt, wo zuvor die Mitte der natürlichen Linse war. Verschiebt sich nun die IOL nur um wenige zehntel Millimeter nach Vorne oder Hinten, hat dies einen Einfluss auf die Postoperative Brillenkorrektion.


Postoperative Betreuung der Patienten

Die Postoperative Betreuung von Kataraktpatienten wird in der Schweiz in der Regel innerhalb der der ersten Woche in der Augenklinik durchgeführt. Danach kann es sein, dass Sie einen frisch operierten Pseudophaken Patienten in Ihrer Optometrie-Praxis antreffen. Frisch nach der Operation sieht man häufig ein sich resorbierendes Konjunktivales Hyposphagma, vielleicht sehr dezente Descementfalten oder eine noch mittelweite Pupille. Der Augendruck kann ein wenig schwanken und ab und an, durch die Applikation der kortisonhaltigen Augentropfen, leicht erhöht sein.

Häufig besteht der Wunsch der Patienten für eine Übergangsbrille. In der Regel werden nicht beide Augen am gleichen Tag operiert, sondern im Abstand von 1 bis 2 Wochen. In dieser Zeit kann es sein, dass eine erhebliche Anisometropie vorliegt kann oder dass die alte Brille absolut nicht mehr stimmt. In solchen Situationen ist es sinnvoll, wenn eine provisorische Brillenversorgung durchgeführt werden kann. Die definitive Brillenversorgung sollte circa 4-6 Wochen nach der Operation erfolgen. Sollte mit der neuen Brille eine plötzliche Sehverschlechterung eintreten, dann handelt es sich wahrscheinlich um einen Post-Operatives Makulaödem (Irvine-Gass). Das Irvin-Gass Ödem hat die grösste Inzidenz nach 4-8 Wochen Post-Operativ zu entstehen. Bei dieser Diagnose braucht es eine ophthalmologische Behandlung. In den meisten Fällen resorbiert sich das Ödem komplett.  

Die allerhäufigste Post-Operative Veränderung ist allerding der Nachstar mit einer nahezu hundertprozentigen Rate. Beim Nachstar handelt es sich um ein Eintrüben des hinteren Kapselblatts. Die vordere Kapsel wird in der Operation zentral, durch die Kapselorexis mit einem Durchmesser von circa 5mm, eröffnet. Das hintere Kapselblatt bleibt weiterhin intakt. Da dieses noch das einzige natürliche Gewebe bleibt, wird dieses mit der Zeit eintrüben. Diese Eintrübung kann die Patientin bzw. der Patient als Sehverschlechterung wahrnehmen. Wenn es in Form von Erlschingperlen extrem Eintrübt, wie in Bild 6, kann es durchaus sein, dass der Visus sehr stark, auf Werte unter 0.2, abfällt. 

Bild 6: Ausgeprägter Nachstar mit der Entstehung von Erlschingperlen. Diese Perlförmigen Erhebungen haben eine grosse lichtbrechende Wirkung. Daher entstehen erhebliche Refraktionsänderungen. Durch die Unregelmässigkeit kann diese Refraktionsänderung nicht mit Brille korrigiert werden und dadurch sinkt der Visus. 

Durch ein Eröffnen der hinteren Kapsel mittels einer YAG-Laser Kapsolotomie wird dieses Problem gelöst und der Visus nimmt wieder den Ausgangswert an. Wichtig für die Optometrie-Sprechstunde ist zu wissen, dass allfällige Refraktionsänderungen, nach einer YAG-Laser Kapsolotomie, wieder den Ausgangswert einnehmen.

 

Dr. Martin Lörtscher